Überschwänglich schrieb er nach seinem Studium am 28. Mai 1860 in der Friedersdorfer Bibliothek an seine Mutter:

"Zehn Generationen von 500 Schulzen und Lehmanns sind lange nicht so interessant wie 3 Generationen eines einzigen Marwitz. Wer den Adel abschaffen will, schafft den Rest von Poesie ab."

 

Mit diesem Preußenbild, das sich im Verlaufe der Zeit änderte, beginnt er die Arbeit an seinem ersten Roman „Vor dem Sturm“. Die Bedeutung des Erstlingswerkes, das im Schicksalswinter 1812/13 handelt, lag für Fontane in seiner preußischen Gesinnung: „O lerne denken mit dem Herzen und lerne fühlen mit dem Geist“.

 

Handlungen und Hauptpersonen, die zum großen Teil im Oderbruch angesiedelt sind, befassen sind mit der Frage, ob das Volk im Kampf gegen Napoleon bewaffnet werden muss oder nicht.


Friedersdorf – Das Denkmal Preußens

 

Viele Tage verbrachte Fontane in der Bibliothek des Schlosses, wo er sich intensiv mit dem Leben und Wirken des Gutsherrn und preußischen Generals, Friedrich August Ludwig v. d. Marwitz, beschäftigt.

 

Die Romanhauptfiguren, Berndt und Lewin von Vitzewitz, besitzen viele Ähnlichkeiten mit dem General und seinem Bruder Alexander. Für beide historische Personen galt: „Wählte Ungnade, wo Gehorsam keine Ehre brachte“.

 

Eine kurze Einführung am historischen Ort stimmt Sie in die Zeit ein, in der die Handlungen des Romanes „Vor dem Sturm“ eingebettet sind.


Hohen-Vietz oder Reitwein

 

 

Es ist Heiligabend 1812 und der adelige Student Lewin von Vitzewitz ist im Schlitten unterwegs zum väterlichen Gut Hohen-Vietz. Nur wo liegt das Dorf?

 

Ein vergleichender Blick vom Oderdamm in Richtung einer Kirchturmspitze und die Namen vieler umliegender Ortschaften geben Hinweise.

 

Zwei Romankapitel spielen im Schloss von Hohen-Vietz. Hier erwarten die Gäste das königliche Signal zum nationalen Aufstand gegen die napoleonische Fremdherrschaft. Im Schloss von Berndt v. Vitzewitz laufen hier die Fäden für die Bildung und den Einsatz der Landwehr zusammen.


Festung Küstrin

 

 

Lewin, Napoleonhasser wie sein Vater, wird während eines Handstreichs in Frankfurt (Oder) gefangen genommen und auf die Festung Küstrin verbracht. In der Nacht vor seiner Befreiung träumt er von seiner Liebe zur bürgerlichen Marie Kniehase.

 

Fontane beschreibt die erfolgreiche und zugleich tragische Flucht, wobei der Familienhund Hector seinen Platz einnimmt. Fontane vermischt auch in diesem Kapitel wiederum „Wahres und Fiktives“.

 

Selbstverständlich widmet er sich in seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg auch der Geschichte Küstrins


Dorfschulze Kniehase

 

Die Kniehases waren ein altes Zechiner Dorfschulzengeschlecht. Christian Kniehase wählte Fontane zur Vorlage der Gestalt des Dorfschulzen von Hohen-Vietz und des Ziehvaters von Marie.

 

Berndt v. Vitzewitz muss seine ganze Beredsamkeit aufbieten, um Kniehase zur Aufgabe seiner Königstreue und zum „Volkskrieg“ gegen Napoleons Truppen zubewegen.

 

Bei dem Überfall auf die französischen Truppen in Frankfurt (Oder) wird er leicht verletzt. Er organisiert Lewins Befreiung und nimmt an der nächtlichen Befreiungsaktion teil.


Forstacker – wo die Ärmsten wohnten

 

 

Eigentlich befindet sich der Forstacker bei Letschin, aber bei Fontane stehen die armen Lehmkaten im „Armenviertel“ etwas abseits von Hohen-Vietz.

 

Dort wohnt Hoppenmarieken, eine Zwergin und Botenfrau. Sie holt dreimal in der Woche Post und Zeitungen aus Frankfurt oder Küstrin und bringt sie auch ins Schloss.

 

Dank ihrer Ortskenntnis und Überlebensschläue befreit sie Lewin aus der Gefangenschaft und sagt bescheiden: "De Dummen, de sin ümmer die Klöksten."

(Postkarte Letschiner Heimatstube)


„Letschin - ein zweites Klein-Sibirien

 

Hier hatte Fontanes Vater eine Apotheke und Theodor selbst arbeitete mehrere Monate als Rezeptar in Letschin, schließlich wollte der spätere Dichter Apotheker in Gusow werden.

 

Theodor Fontane lernte im Ort und bei seinen vielen Fahrten durch die Region die „typischen Oderbrücher“ kennen, die er in seinen Werken „Vor dem Sturm“ und „Unterm Birnbaum“ als Haupt- oder Nebenfigur skizzierte.

So auch den Pfarrer Eccius, der am 9. März 1814 die Friedenseiche im Andecken an die 25 in den Befreiungskriegen gefallenen Letschiner pflanzen ließ.


Schloss Guse – wo Tante Amalie wohnt

 

Im Schloss trifft das alte Preußen auf den neuen Zeitgeist. Gräfin Amelie, die ältere Schwester von Berndt von Vitzewitz, lebt noch ganz in den Traditionen des Rheinsberger Hofes.

 

Ihr Bruder feiert Silvester 1812 mit Gästen und Weggefährten im alten „Derfflinger-Schloss“. Immer wieder drehte sich das Gespräch um die „Volksbewaffnung à tout prix, also mit dem König, wenn möglich, ohne den König, wenn nötig“. Die Anwesenden wissen: „Aber wenn wir die Waffen wider seinem Willen nehmen, so kann es uns auf Hochverrat gedeutet werden.“

 

Hier schließt sich der Kreis vom anfangs erwähnten Spruch: „Wählte Ungnade, wo Gehorsam keine Ehre brachte“.